Die Schlaganfallversorgung in ländlichen Regionen muss auch nach der Krankenhausreform gesichert bleiben!
(18.09.2024) Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnen eindringlich: Ausgerechnet bei der Volkskrankheit Schlaganfall mit ihren zeitkritischen Therapien zur Wiederherstellung der Hirndurchblutung ergibt sich durch die Zentralisierungspläne der Bundesregierung eine große Versorgungslücke. Denn laut aktuellem Gesetzentwurf sollen die Patienten zukünftig nur noch in neurologischen Spezialkliniken behandelt werden dürfen, die jedoch nicht überall flächendeckend zur Verfügung stehen. Die daher seit Jahrzehnten etablierte telemedizinische Unterstützung wohnortnaher Kliniken ist im aktuellen Entwurf aber nicht mehr vorgesehen. Trotz dezidierter Stellungnahme der Fachgesellschaften vor der Sommerpause zeichnet sich kein Einsehen des Gesundheitsministers ab. „Wird das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) wie derzeit geplant verabschiedet, wird die Schlaganfallversorgung auf dem Land zusammenbrechen“, ist Professor Stefan Schwab (links), 1. Vorsitzender der DSG, überzeugt. „Wir brauchen weiterhin TeleStroke-Units. Unbedingt!“, unterstreicht auch Professor Peter Berlit (mittig), Generalsekretär der DGN.
Um es nicht falsch zu verstehen: DSG und DGN begrüßen ausdrücklich, dass laut aktuellem Gesetzentwurf Betroffene zukünftig in neurologischen Spezialkliniken behandelt werden sollen – wenn eine flächendeckende Versorgung gesichert ist. Derzeit ist hierfür die etablierte telemedizinische Unterstützung wohnortnaher Kliniken zwingend erforderlich. So fordern DSG und DGN bereits seit Juli dringend eine Nachbesserung des derzeitigen KHVVG-Referentenentwurfes!
Denn die Faustregel „Time is brain“ bzw. übersetzt „Zeit ist Hirn“ kennt eigentlich schon jedes Kind. Bei der Versorgung einer Durchblutungsstörung im Gehirn – einem Schlaganfall – gilt es, keine Zeit zu verlieren. Das Gehirn ist bekanntlich das Organ mit dem größten Sauerstoffbedarf. Wird es nicht mehr adäquat versorgt, droht bereits nach wenigen Minuten eine dauerhafte Beeinträchtigung des Betroffenen oder gar dessen Tod. „Sie können einen Schlaganfallpatienten entsprechend nicht erst zwei Stunden mit dem Krankenwagen in die Spezialklinik fahren“, erklärt Prof. Heinrich Audebert (rechts), Vorsitzender der Kommission Telemedizinsche Schlaganfallversorgung. Deutschland habe deshalb in den letzten Jahrzehnten eine hohe Zahl an zertifizierten Schlaganfallspezialstationen aufgebaut, den sogenannten Stroke Units, die innerhalb von maximal 30 Minuten für jeden Patienten erreichbar sein sollten.
30.000 Schlaganfallpatienten profitieren derzeit jährlich von TeleStroke-Units
Sind die Stroke Units in strukturschwachen Regionen aber zu weit entfernt gelegen, wurden ergänzend Krankenhäuser mit einer TeleStroke-Unit eingerichtet. „Hier holen sich dann die Ärzte vor Ort durch telemedizinische Konsile die spezifische Behandlungsexpertise von zugeschalteten Neurologen. Die spezialisierte Behandlung wird lokal durch ein Schlaganfallteam sichergestellt und nur Patienten, die eine Operation oder eine Katheter-Behandlung brauchen, werden weiterverlegt“, berichtet Audebert, stellvertretender Direktor der Klinik für Neurologie der Charité Berlin. 30.000 Schlaganfallpatienten werden so pro Jahr in Deutschland vor allem in ländlichen Regionen in TeleStroke-Units behandelt. Studien weisen eindeutig nach, dass Schlaganfallpatienten von der Behandlung in TeleStroke-Units profitieren: Die Betroffenen haben „einen signifikanten Vorteil zu überleben und Behinderungen zu vermeiden“, heißt es dort. Dass diese jetzt im aktuellen Gesetzentwurf rausgefallen sind, ist also nicht nachvollziehbar.
Hinzu komme, bemerkt Heinrich Audebert, das die Kapazitäten des Rettungsdienstes derzeit für das Vorhaben bei Weitem nicht ausreichten. 2027 soll das KHVVG in Kraft treten. „Bei aktuell bereits bestehendem Personalmangel erscheint es utopisch, innerhalb so kurzer Zeit die Ressourcen derart aufzustocken, wie wir sie bei diesen Transportentfernungen bräuchten.“
Die Netzwerke zu verlieren, wäre eine Katastrophe!
Entsprechend machten die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie gegenüber der Politik bereits sehr deutlich, dass die Schlaganfallversorgung auf einer TeleStroke-Unit ein komplementäres Angebot zur Versorgung auf neurologischen Stroke Units darstellt. „Die TeleStroke-Unit ist zur flächendeckenden Versorgung in strukturschwachen Gebieten unverzichtbar!“, heißt es in der Stellungnahme vom 3. Juli. DGN-Generalsekretär Peter Berlit wird deshalb deutlich: „Diese Netzwerke zu verlieren, wäre eine Katastrophe!“
Selbstverständlich müsse jedes Krankheitsbild, so auch der Schlaganfall, von Spezialisten behandelt werden, am besten auch in einem spezialisierten Zentrum – dieser Gedanke der Regierung sei vollkommen richtig, bekräftigt der 1. Vorsitzende der DSG, Stefan Schwab. Doch die unverzichtbare schnelle Versorgung des Schlaganfallpatienten sei in bestimmten Regionen nur eingeschränkt möglich. „Der Experte muss dann eben zum Patienten gebracht werden. Wir sprechen von einem zeitkritischen Krankheitsbild“, führt Schwab vor Augen. Die Entscheidung gegen die telemedizinische Unterstützung sei deshalb absolut nicht nachvollziehbar. Auch gäbe es keine wissenschaftliche Grundlage für eine zwingende Direktzuweisung aller Schlaganfallpatienten in entfernte Zentren.
Am 18. Oktober soll das KHVVG in die zweite und dritte Lesung gehen und vom Bundestag verabschiedet werden. Zeitkritisches Management ist jetzt auch hier gefordert!