Männer der ersten Stunde: Zusammenarbeit in der Krise
(28.08.2025) Prof. Otto Busse (rechts) ist ein bekanntes Gesicht unter Schlaganfallexperten. Er hat das Konzept der Stroke Unit in Deutschland Anfang der 90er Jahre begonnen zu etablieren. Als Gründungsmitglied der DSG berichtet er in der Feierstunde auf dem 1. Deutschen Schlaganfallkongress kurz über die ersten Schritte der Fachgesellschaft und was nötig war, dass wir heute dort stehen, wo wir stehen. Keynotespeaker Dr. Gerhard Conrad (links) dürfte unter Strokologen wahrscheinlich weniger bekannt sein, ist aber ebenfalls eine absolute Koryphäe auf seinem Gebiet. Auch er hat seine komplette berufliche Laufbahn den „Wegen hinaus aus der Krise“ gewidmet. In der Zeit, als Busse anfing Stroke Units zu gründen, verhandelte Conrad als Regionalexperte im Auftrag des Bundesnachrichtendienstes (BND) und der Vereinten Nationen (UN) in geheimen humanitären Vermittlungsmissionen zwischen Israel und der Hisbollah, später dann auch zwischen Israel und Hamas. Er brachte Todfeinde dazu, wenigstens indirekt im gemeinsamen Interesse zu kooperieren. Wir können deshalb viel voneinander lernen!
„,Wie bekommt man in Krisensituationen viele Menschen, selbst Gegner, zusammen?ʻ ist eine entscheidende Frage, die uns alle eint“, weiß Gerhard Conrad, der zuletzt bis zu seiner Pensionierung im Herbst 2019 Direktor des European Union Intelligence Analysis Centre (INTCEN) in Brüssel und damit höchstrangiger ziviler Nachrichtendienstbeamter der EU war. „Bei Verhandlungen von etablierten Todfeinden ist der Zeitfaktor ganz entscheidend. Zeit ist dort erst einmal ein Druckmittel während der Verhandlungen. Das ist auf der Stroke Unit ganz anders – wenn man länger darüber nachdenkt, aber auch sehr ähnlich“, sagt er. Komme es zum Schwur, das heißt zur Umsetzung der Vereinbarung, dann müssten ganz viele Menschen und Institutionen anfangen zusammenspielen, manchmal mehr als acht verschiedene Disziplinen – und diese hätten ebenfalls alle ihre eigenen institutionellen wie auch politischen Interessen.
Das kann Prof. Otto Busse für die Schlaganfallbehandlung und Gründung einer Fachgesellschaft durchaus nachvollziehen: „Dass wir als Neurologen für einen Schlaganfallpatienten zuständig zu sein haben, dass es einen Ort gibt, wo wir uns im geschulten Team um diese Patienten kümmern und diese überwachen können – das war noch vor etwas mehr als 30 Jahren vollkommen neu“, erinnert sich Busse. Da wäre die ein oder andere Tür direkt zugeschlagen worden.
Dr. Gerhard Conrad kann hier für die Zukunft des Klinikbetriebes wie auch der Fachgesellschaft interessante Lösungen anbieten. Seine Keynote „Kooperation zwischen gewaltaffinen Antagonisten in Krieg und Krise – Lehren aus prekären humanitären Vermittlungsbemühungen in Nahost für die Notfallversorgung, Therapie und Rehabilitation von Schlaganfallpatienten“ sei daher allen ans Herz gelegt.
Fotos: privat