Neue Schlaganfall-Leitlinie: Empfehlungen für Delir-Patienten, medikamentöse und therapeutische Vorgaben und geschlechtsspezifische Unterschiede

Experten der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) berichten auf ihrer Online-Pressekonferenz am 26. Oktober über die neue Leitlinie.

Berlin, September 2021 – Wer nach einem Schlaganfall Störungen in der Aufmerksamkeit, im Bewusstsein oder in der Wahrnehmung hat, leidet möglicherweise unter einem sogenannten Post-Stroke-Delir. Etwa jeder vierte Schlaganfall-Patient bekommt dieses, damit einher geht auch eine fünffach erhöhte Sterblichkeit. Da Forschungen dazu bisher rar sind und es kaum standardisierte Therapien gibt, empfiehlt die neue S2e-Schlaganfall-Leitlinie zur „Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls“ (1) ein gezieltes Screening für Betroffene. Experten der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) schließen sich dieser Empfehlung an – und stellen diese und andere zentrale Inhalte der neuen Leitlinie auf ihrer Online-Pressekonferenz am Dienstag, den 26. Oktober 2021 vor. Die virtuelle Veranstaltung findet anlässlich des Weltschlaganfalltages am 29. Oktober statt.

Die neue S2e-Schlaganfall-Leitlinie zur „Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls“ (1) hat das Vorgängermodell nach knapp zehn Jahren abgelöst. Die komplett überarbeitete neue Version entstand unter Mitwirkung verschiedener Fachgesellschaften, unter anderem auch der DSG. Hinsichtlich der Delir-Therapie nimmt die überarbeitete deutsche Schlaganfall-Leitlinie eine Vorreiterrolle ein – in keiner anderen internationalen Leitlinie wurde dieser Aspekt bislang thematisiert. „Das Screening der Delir-Patienten erfolgt mit etablierten Scores, um daraus das bestmögliche Behandlungskonzept abzuleiten – wie etwa medikamentöse Therapien und stimulierende Maßnahmen zur Re-Orientierung der Betroffenen“, sagt DSG-Experte Professor Dr. med. Peter A. Ringleb.

Neben den Empfehlungen für Delir-Patienten finden sich in der neuen Schlaganfall-Leitlinie auch maßgebliche Vorgaben für Patienten mit flüchtigen Symptomen, sogenannten transitorischen Attacken (TIA). „Alle Patienten mit TIA-Symptomen innerhalb der vergangenen 48 Stunden sollen laut der neuen Leitlinie im Krankenhaus auf einer Schlaganfallspezialeinrichtung – also einer Stroke Unit – behandelt werden“, betont Ringleb. „Die Aufenthaltsdauer sollte sich dabei nach individuellen, patientenspezifischen Faktoren richten.“

Zudem finden sich in der Leitlinie auch Aspekte zur medikamentösen Therapie nach einem Schlaganfall: Die aktualisierte Leitlinie spricht sich – im Gegensatz zu anderen internationalen Leitlinien – gegen eine routinemäßig verabreichte frühe duale antithrombotische Sekundärprophylaxe aus mit ASS plus Clopidogrel oder Ticagrelor. „Bei manchen Patienten nach leichten Schlaganfällen oder TIA kann solch eine kurzfristige Therapie aber durchaus vorteilhaft sein, wenn kein erhöhtes Blutungsrisiko vorliegt“, so der DSG-Experte.

Außerdem finden sich in der neuen Schlaganfall-Leitlinie auch Vorgaben für sogenannte Rekanalisationstherapien. Diese dienen dazu, die unterbrochene oder reduzierte Blutversorgung im Gehirn nach einem Schlaganfall schnellstmöglich wiederherzustellen, wahlweise medikamentös oder per Kathetereingriff. „Um schnellstmöglich festzustellen, ob Betroffene für eine solche Therapie infrage kommen, sollte möglichst zeitnah nach dem Hirninfarkt eine sofortige Bildgebung des Gehirns mittels Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) erfolgen, die auch eine Gefäßdiagnostik umfasst“, sagt Ringleb. Bei Schlaganfall-Erkrankten, bei denen das kritische Zeitfenster von 4,5 Stunden bei der Ankunft in der Klinik bereits überschritten ist, sieht die neue S2e-Leitlinie eine erweiterte multimodale Bildgebung vor, beispielsweise Untersuchungen mit Kontrastmitteln, die beim MRT oder CT zum Einsatz kommen“, so Ringleb. „Auch bei diesen Patienten kann unter Umständen –abhängig vom Befund – noch eine spezifische Schlaganfall-Behandlung möglich sein.“

Neu an der Leitlinie ist auch ein Kapitel über geschlechtsspezifische Unterschiede bei einem Hirninfarkt. In bisherigen Schlaganfall-Studien waren Frauen häufig unterrepräsentiert, da dort die Altersgrenze oftmals bei 80 Jahren lag – und Frauen jedoch im Schnitt fünf Jahr älter sind als Männer, wenn sie einen Schlaganfall erleiden und somit oftmals nicht in die Untersuchungen einbezogen wurden. Die systematische Suche in Datenbanken bei der Erstellung der Leitlinie brachte allerdings keinen zentralen Anhaltspunkt dafür, dass Frauen mit einem Schlaganfall anders behandelt werden sollten als Männer. „Das geschilderte Ungleichgewicht in den bisherigen Studien sollten wir bei der Konzeption künftiger Untersuchungen aber im Auge behalten, um gegebenenfalls schnell umsetzbare geschlechtsspezifische Therapieoptimierungen vornehmen zu können“, resümiert Ringleb.

Quelle:

(1): Ringleb P., Köhrmann M., Jansen O. et al.: Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls, S2e-Leitlinie, 2021, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 29.09.2021)

Online-Pressekonferenz der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)
zum Weltschlaganfalltag

Weltschlaganfalltag 2021: Europäischer Schlaganfall-Aktionsplan++ Neue Leitlinien++20 Jahre DSG++Teleneurologische Schlaganfall-Versorgung

Termin: Dienstag, 26. Oktober, 11:00 bis 12:00 Uhr
Anmeldung und Link für die Teilnahme an der Online-Pressekonferenz:
gotowebinar.com/register/6841015530489430287

Vorläufige Themen und Referenten:

Forschen, Fördern, Umsetzen – 20 Jahre Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft: eine Erfolgsgeschichte
Prof. Dr. med. Helmuth Steinmetz
1. Vorsitzender der DSG, Zentrum der Neurologie und Neurochirurgie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt

Stroke Action Plan for Europe (SAP-E) – eine gemeinsame Stimme im Kampf gegen Schlaganfall in Europa
Prof. Dr. med. Jürgen H. Faiss
Geschäftsführer der DSG e.V., Berlin

Neue Leitlinien zum Schlaganfall: Klare Aussagen zu komplexen Fragen
Prof. Dr. med. Dipl.Inf. (FH) Peter A. Ringleb
Sekretär im DSG-Vorstand, Sektionsleiter Vaskuläre Neurologie, Neurologische Klinik
Universitätsklinikum Heidelberg

Teleneurologische Schlaganfallversorgung – wie moderne Techniken die Akutversorgung von Schlaganfallpatienten optimieren
Priv.-Doz. Dr. med. Christoph Gumbinger
Sprecher der Kommission Telemedizinische Schlaganfallversorgung der DSG, Koordinator FAST-Teleneurologienetzwerk, Leiter der Stroke Unit / Neurologische Überwachungsstation der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg

Moderation: Friederike Gehlenborg, Pressestelle der DSG

Fachlicher Kontakt bei Rückfragen:

Prof. Dr. med. Helmuth Steinmetz
Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)
Zentrum der Neurologie und Neurochirurgie
Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Haus 95
Schleusenweg 2-16
60528 Frankfurt
Telefon: 069 6301 5769

Professor Dr. med. Wolf-Rüdiger Schäbitz
Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)
Universitätsklinik für Neurologie
Universitätsklinikum OWL | Universität Bielefeld
Evangelisches Klinikum Bethel gGmbH
Haus Gilead I | Bethel
Burgsteig 13
33617 Bielefeld
Telefon: +49 521 77278301

Kontakt für Journalisten:

Pressestelle der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)
Friederike Gehlenborg
Tel.: +49 (0)711 8931-295, Fax: +49 (0)711 8931-167
E-Mail: 

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